Teil 4

Drei Wochen vor Violas und meinem 17. Geburtstag gab es noch mal eine kleine Diskussion mit unseren Eltern wegen der Gästeliste. Wir wollten die Einladungen jetzt in den nächsten Tagen aussprechen, um besser planen zu können, doch unsere Eltern gaben Viola zu verstehen, dass sie Felix nicht gerne hier bei uns sehen würden.

 

Für Viola natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Für mich inzwischen auch. Aber das wusste niemand.

"Wollt ihr mir etwa den Umgang mit Felix verbieten?", fragte Viola scharf. Unser Vater antwortete:

"Das könnten wir gar nicht, wie wir ja wissen. Aber es wäre uns lieber, wenn er nicht hier ins Haus kommen würde"

"Und was bringt das? Ihr wollt das ja nicht, weil ihr denkt, dass Felix einen schlechten Einfluss auf mich hat, oder? Aber wenn ich mich dann mit ihm woanders treffe, ändert sich daran ja nichts", bemerkte Viola.

"Ja, das ist richtig", stimmte meine Mutter zu, "aber deshalb will ich ihn trotzdem nicht hier haben. Mir wäre es aber auch lieber, wenn du dir andere Freunde suchen würdest. Und nicht ständig bei einem Jungen wärst, der Kampfsport macht, dich zu dummen Streichen animiert und nächtelang in einer Kneipe bedient".

Nun wurde Viola sauer.

"Ja, das hört sich alles furchtbar an, nicht wahr? Du siehst die positiven Seiten nicht, weil du sie nicht sehen willst. Dass er seit Wochen als ausgebildeter Koch in einem sehr guten Restaurant arbeitet, scheint dir irgendwie entfallen zu sein, oder?". Ich hörte meiner Schwester an, dass sie wirklich enttäuscht war. Und ich verstand das sogar, immerhin hatte ich Felix nun auch besser kennengelernt und fand, dass er absolut in Ordnung war.

"Man sollte jemandem vielleicht nicht immer seine Jugendsünden vorwerfen", warf ich deshalb ein und unterstützte somit meine Schwester. Die sah mich äußerst dankbar an. Unsere Eltern hingegen hatten wohl nicht erwartet, dass ich das so wie Viola sehen würde und sahen zuerst mich, dann sich kurz an, dann verkündete mein Vater:

"Vielleicht habt ihr Recht. Soll er also kommen. Aber ich hoffe doch stark, dass er sich hier zu benehmen weiß, ja? Sollte mir was Gegenteiliges zu Ohren kommen, muss er gehen. Klar?"

"Ja, das ist klar. Aber es ist echt nicht schön, dass ihr denkt, er könnte sich hier daneben benehmen. Also echt". Damit war für Viola das Gespräch beendet und sie stand auf und ging nach draußen. Und ich freute mich, dass Felix nun zu unserer Party kommen konnte.

Der Tag unserer Geburtstagsfeier war dann schnell da, und ich hatte mich zur Feier des Tages sogar ein bisschen geschminkt. Man wurde schließlich nicht alle Tage 17 Jahre alt.

Ich freute mich jetzt auf unsere Gäste, und Felix war einer der ersten, der mir über den Weg lief.

"Happy Birthday, Madeleine!", sagte er und gab mir die Hand.

"Danke, Felix!", freute ich mich. "Du kannst dich gleich bedienen, das Buffett ist hinten im Garten aufgebaut".

Felix machte sich dann auf den Weg durch unseren Garten in Richtung Buffet, als er von Viola entdeckt wurde. Ich hörte nicht, was sie sagten, aber ich konnte gut sehen, wie Felix meine Schwester innig umarmte. Das mir dabei ein Stich durch mein Herz fuhr, war einfach zu dämlich. Es war nicht nur die Tatsache, dass ich auf meine eigene Schwester eifersüchtig war, sondern auch, dass ich überhaupt eifersüchtig war. Denn schließlich waren Felix und Viola schon so lange befreundet. Allerdings fragte ich mich zum ersten Mal wirklich, ob Viola mehr für Felix empfand. Die beiden wirkten so vertraut, außerdem passte Viola perfekt zu Felix.

 

Im Gegensatz zu dir, Madeleine - blöde Kuh - von Hohenstein, dachte ich bei mir.

Wie gut, dass gleich die nächsten Gäste kamen, die es zu begrüßen galt. Diesmal waren es Sam und Silas, und ich freute mich riesig, die beiden mal wieder zu sehen.

Ich sprach gerade mit Leonie, einem Mädchen, dass ich von einem Buchclub her kannte, konnte meine Blicke aber kaum von Felix lassen, der natürlich bei Viola stand. Ich musste mich regelrecht zwingen, Leonie meine Aufmerksamkeit zu schenken. Irgendwann blickte Felix zu mir herüber und lächelte mich dermaßen süß an, dass ich augenblicklich weiche Knie bekam.

 

Und dann sah ich, wie er in meine Richtung losging. Sofort schlug mein Herz schneller, tausend Gedanken rasten gleichzeitig durch meinen Kopf, von der Frage, ob meine Haare noch saßen bis hin zu den Überlegungen, was ich ihm jetzt gleich sagen konnte.

Felix war erst auf halbem Wege bei mir, als ich von der Seite angesprochen wurde.

"Ich habe gehört, dass hier heute jemand Geburtstag feiert", sagte eine männliche Stimme zu mir. Ich drehte mich überrascht um.

"Adam!", entfuhr es mir dann auch, und man hörte mir meine Überraschung an. Ich konnte nicht glauben, dass Adam Wood hier in unserem Garten stand!

Noch bevor ich ihn richtig begrüßen konnte, blickte ich in die Richtung, aus der jetzt auch Felix zu mir kam. Doch weit gefehlt: Von Felix gab es keine Spur mehr, es war, als hätte er nie bei Viola gestanden und hätte sich dann zu mir bewegt. Auch Viola war nicht mehr zu sehen, und ich schalt mich selbst einen Dummkopf. Was hatte mir da meine Fantasie wieder zusammengesponnen? Als käme Felix auf die Idee, das Gespräch mit Viola für eines mit mir zu unterbrechen...

 

"Alles Gute zum Geburtstag, Maddy", gratulierte mir dann Adam, und ich schenkte ihm wieder meine Aufmerksamkeit.

"Danke", erwiderte ich. "Woher weißt du, dass ich heute Geburtstag habe?". Nun lächelte er mich an, und es war dieses Lächeln, weshalb ich mich damals in ihn verknallt hatte.

"Das verrate ich nicht", sagte er. "Aber immerhin habe ich so einiges wieder gut zu machen, und ich fand, dass ein neues Lebensjahr dafür wie geschaffen war". Wie, er wollte etwas gut machen? Kam er jetzt nach über zwei Jahren hier an und wollte sich für sein Verhalten entschuldigen?

"Du musst nichts gutmachen", stellte ich klar, doch er schüttelte den Kopf.

"Doch, natürlich. Ich weiß ja, dass ich dich nicht gerade nett behandelt habe. Aber das soll jetzt anders werden". Ich forschte in seinen Augen, weil ich wissen wollte, ob er mich jetzt vollkommen veralbern wollte. Es war schwer, darin zu lesen, denn eigentlich sah er aus wie immer, und bisher war er für mich unerreichbar gewesen.

"Okay", sagte ich recht perplex. "Aber heute wird hier nicht zu Kreuze gekrochen, sondern gefeiert. Hier ist das Bufett, bediene dich einfach, und wenn etwas fehlen sollte, dann melde dich einfach, ja?"

Ich ließ ihn dann mit den Worten erst Mal stehen, in dem ich sagte, dass ich mich um die anderen Gäste kümmern müsse. Ich flüchtete dann an das andere Ende des Gartens und sah verwirrt zu Adam. Das war einfach unglaublich! Da beachtete mich dieser Traumjunge so lange Zeit nicht, ich hatte den schlimmsten Liebeskummer meines bisherigen Lebens wegen ihm, und jetzt stand er hier, hatte mir zum Geburtstag gratuliert und sich obendrein für sein Verhalten entschuldigt!

 

Viola war nun wieder hier, sah Adam, und dann mich da stehen, und kam mit schnellen Schritten zu mir.

"Sag mal, ist das dort hinten Adam Wood? Aus der Para?", fragte sie sofort, und ich konnte nur nicken. "Was macht der denn hier?", fragte sie weiter.

"Er hat mir zum Geburtstag gratuliert", sagte ich völlig planlos.

"Der weiß aber schon, dass du eine Zwillingsschwester hast, oder?", wollte sie wissen, was mir zeigte, dass er ihr wohl nicht gratuliert hatte. Was mich noch nervöser machte.

"Keine Ahnung, ich denke, eher nicht", sagte ich ehrlich.

"Na klasse", sagte Viola und sah mich dann forschend an.

"Sag mal, willst du noch was von ihm? Ich dachte, dass du schon lange über ihn hinweg wärst". Ja, das dachte ich eigentlich auch...

"Ja, das bin ich auch", sagte ich dann aber wenig überzeugend zu meiner Schwester.

"Sieht gerade aber nicht so aus. Du frisst ihn mit deinen Blicken ja regelrecht auf", meinte sie.

"Tue ich nicht", widersprach ich verlegen und schwenkte meinen Blick von ihm weg.

Und traf damit auf Sven und Lara, die sich immer noch wild küssten. Die beiden studierten seit fast einem Jahr, Sven Biologie, Lara Tiermedizin. Und waren immer noch so verliebt wie am Anfang. Und ich fragte mich, ob ich die Gefühle, die ich für Adam hatte, völlig verloren hatte oder ob sie noch da waren. Nur vergraben, weggeschlossen, weil sie mir weh getan hatten. Was aber, wenn sich Adam tatsächlich geändert hatte? Wenn er sich womöglich jetzt wirklich für mich interessierte? Sollte ich mir diese Chance dann etwa entgehen lassen?

Es war seltsam, aber gerade jetzt fiel mir auf, wie viele Paare oder verliebte Pärchen sich hier auf der Party befanden. Da gab es etwa Nicole, die Tochter von Mamas Freundin Susanne Clemens, und Gustavo, den Freund von Sven, die zwar noch nicht zusammen waren, aber sich die ganze Zeit so anstrahlten, als gäbe es uns andere gar nicht. Es war wirklich nur noch eine Frage der Zeit, bis die beiden fest zusammen gingen.

Dann natürlich Silas und Sam, die in ihrer gemeinsamen Wohnung in Sim City lebten und sich vor ein paar Wochen verlobt hatten. Wann die beiden heiraten würden, stand noch nicht fest, dass das aber passieren würde, war uns allen klar. Mein Bruder und seine Lara waren noch so ein Traumpaar, die einfach zusammengehörten und die man sich überhaupt nicht mehr getrennt vorstellen konnte, so absurd war die Vorstellung.

 

Und dann tanzten da noch Felix und Viola zusammen. Es stand außer Frage, dass die beiden sich wichtig waren, doch wie weit Violas Gefühle für Felix gingen, wusste ich leider nicht. Das musste ich sie bei Gelegenheit unbedingt mal fragen und hoffte, dass sich mal eine gute Gelegenheit ergeben würde. Und was Felix für Viola empfand, wollte ich gerade gar nicht so genau wissen.

 

Jedenfalls schien es, als hätten hier alle ihr Gegenstück gefunden. Alle, bis auf Adam und mich.

Ob das auch Adam aufgefallen war oder nicht, wusste ich nicht, jedenfalls kam er irgendwann zu mir und forderte mich zum Tanzen auf. Was vor zwei Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre, erfüllte sich also heute an meinem 17. Geburtstag: Ich tanzte mit Adam.

Wie gut, dass ich in den letzten Wochen ab und zu mit Viola ausgegangen war, so war ich jetzt nicht völlig unerfahren und blamierte mich nicht. Ihm jedoch sah man an, dass er schon oft getanzt hatte, und ich wollte jetzt gar nicht an die Mädchen denken, die da bisher die Ehre gehabt hatten, das mit ihm zu tun. Denn jetzt war ich dran, er tanzte hier tatsächlich mit mir auf meinem Geburtstag, zu dem er völlig alleine gekommen war.

 

Auch später, als wir uns mit einem Getränk erfrischen mussten oder noch einen kleinen Snack am Buffet holten, ließ mich Adam nicht mehr aus den Augen. Das, was ich mir früher so lange gewünscht hatte, schien nun Wirklichkeit zu werden. Und das tat gut. Ganz einfach. Es fühlte sich fantastisch an.

Als Adam dann ging - er war einer der letzten - begleitete ich ihn noch vor das Haus, wo wir mal alleine sein konnten. Dort schenkte er mir wieder sein umwerfendes Lächeln.

"Das war ein schöner Abend, danke, Maddy", sagte er zu mir.

"Ich bedanke mich für deinen Besuch", gab ich zurück. Dann war es kurz still, und wir sahen uns nur an.

"Ich würde dich gerne einladen", sagte er dann plötzlich, und ich glaubte, mich verhört zu haben. Er wollte mit mir ausgehen? "Gehst du gern ins Kino?"

"Liebend gern", sagte ich und musste mich räuspern, weil meine Stimme wegbrach.

"Hast du nächstes Wochenende schon was vor?". Ich hatte nichts konkretes geplant, wollte ihm das aber nicht sofort auf die Nase binden, deshalb antwortete ich:

"Das weiß ich im Moment nicht so genau. Ich sehe nach, dann gebe ich dir Bescheid. Arbeitest du am Montag?"

"Ja, du auch?"

"Ja. Dann sage ich es dir dort, ja?"

"Okay. Es würde mich sehr freuen, wenn es klappen würde", ergänzte er noch, bevor wir uns dann verabschiedeten und er ging.

 

Und eine überaus verwirrte, aber nicht weniger glückliche Madeleine ging wieder zurück zu ihrer Party.

Ich hatte Adam natürlich zugesagt und stand jetzt an diesem Samstag Abend vor dem Kino in Sunset Valley. Während ich noch auf ihn wartete, besah ich mir die Filmplakate und überlegte, welchen Film wir uns ansehen könnten.

 

Doch irgendwie rechnete ich damit, versetzt zu werden. Ich wusste zwar nicht, warum er auf meiner Party war geschweige denn, warum er mich nun ins Kino eingeladen hatte. Aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass das aus einem Grund heraus folgte, den ich mir vor so vielen Monaten noch gewünscht hatte. Ich versuchte auch gar nicht herauszufinden, ob da noch Gefühle in mir für ihn schlummerten. Denn wenn ich sie zuließ, könnte ich wieder so enttäuscht werden, und noch mal wollte ich das einfach nicht durchmachen müssen.

Doch Adam kam tatsächlich.

"Schön, dass du heute Zeit für mich hast!", sagte er schmeichelnd.

"Danke für die Einladung", sagte ich zu ihm.

"Ich muss mich bedanken. Nicht nur, dass du dir die Zeit genommen hast, sondern auch, dass du mir noch eine Chance gibst". Ich winkte ab und sagte:

"Ich bin nicht nachtragend, und jetzt lass uns die Vergangenheit einfach vergessen, ja?"

"Nichts lieber als das! In welchen Film wollen wir gehen? Hier dieser Katastrophenfilm soll sehr spannend sein, habe ich gehört", meinte er und zeigte auf das Plakat eines Filmes, das mir vorhin nicht mal wirklich aufgefallen war. Was sicher daran lag, dass ich solche Filme eher nicht anschaute. Weil ich aber nicht gleich bei unserem 1. Date wie eine moserige Zicke daherkommen wollte, sagte ich:

"Okay, einverstanden". Also gingen wir hinein, Adam löste unsere Karten und kaufte für mich Popcorn und für sich Tortilla Chips, dazu noch je eine Cola. So bewaffnet machten wir es uns in dem Kinosaal bequem.

Nach dem Film begleitete mich Adam noch ganz gentlemanlike nach Hause. Und das war dann für mich das Highlight des Abends, der Film war dann wirklich nicht das gewesen, was mich vom Hocker gehauen hatte. Es war immer das gleiche: Die Welt ging unter, aber eine handvoll Helden konnte gerade noch das Schlimmste verhindern. Doch der Spaziergang zu unserem Haus und das Gespräch mit Adam entschädigten für diesen Film. Wir sprachen viel über Bücher, und das war ja nun wirklich eines meiner Lieblingsthemen. Es freute mich, dass auch Adam gerne las und auch schon Klassiker gelesen hatte, die Leute in unserem Alter eher nicht lasen.

 

So standen wir leider viel zu schnell vor unserem Haus.

"Vielen Dank für alles", sagte ich dann zu ihm, und er sah mich intensiv mit einem undurchdringlichen Blick an.

"Das wäre eigentlich mein Text gewesen", sagte er und wir mussten beide schmunzeln.

"Na ja, du hast ja alles bezahlt, von daher"

"Aber du hast mich mit deiner Gesellschaft beglückt"

">Aber finden Sie nicht, dass es besser ist, nur eine kurze Zeit sehr glücklich zu sein, auch wenn man dieses Glück verliert, als sein ganzes Leben nur einigermaßen über die Runden zu bringen?<", zitierte ich, weil wir auch auf dem Hinweg über schöne Zitate aus unseren Lieblingsbüchern gesprochen hatten.
">Die Frau des Zeitreisenden<", sagte Adam. "Das habe ich letztes Jahr gelesen. Sehr geniales Buch, oder?". Mein Herz klopfte schneller. Ein Junge, der "Die Frau des Zeitreisenden" nicht nur gelesen hatte, sondern es auch mochte...

"Ja, sehr genial", sagte ich, und dann kam Adam näher. Ich wurde auf der Stelle absolut nervös. Adams Nähe, sein Blick - es war wie in meinen Träumen.

Und dann küsste er mich tatsächlich. Ganz wahrhaftig spürte ich seine Lippen auf meinen. Es war mein erster Kuss überhaupt, und es war der Wahnsinn, dass ich diesen von Adam bekam.

 

Ich war völlig durch den Wind, absolut aufgeregt, mein Herz schlug im Rekordtakt. Es war unglaublich.

"Wann sehe ich dich wieder, Sweetheart?", fragte mich Adam nach dem Kuss atemlos.

"Wann hast du denn Zeit?", fragte ich ihn zurück.

"Gleich morgen?", fragte er mich, und ich konnte es nicht fassen, dass er mich so schnell wiedersehen wollte.

"Das geht", sagte ich.

"Ich rufe dich an, wegen der Uhrzeit, ja?", schlug er vor, und ich stimmte dem zu. Als er ging, küsste er mich noch einmal, und ich ging auf wackeligen Beinen ins Haus. Wenn ich mich noch bis heute morgen gefragt hatte, ob ich noch was für Adam empfand oder nicht, so war diese Frage eindeutig beantwortet worden. Ich war tatsächlich mit Adam zusammen. Unfassbar!

Von diesem Moment an sahen wir uns oft. Natürlich in der Schule und bei der Arbeit, allerdings hatte Adam vorgeschlagen, dort mal noch nicht zu zeigen, dass wir zusammen waren, weil das unter Arbeitskollegen ja oft nicht gerne gesehen wurde, und ich war einverstanden. Nicht, dass das noch negativ auf uns zurückfallen würde.

 

Wir gingen auch immer wieder aus, und ich hatte wirklich viel Spaß mit ihm.

Ich lernte auch hin und wieder einen Kumpel von Adam kennen, wie hier Daniel. Und ich stellte ihn natürlich meinen Freunden vor, und nach zwei Monaten auch meiner Familie. Viola war ziemlich erstaunt gewesen, als ich ihr gesagt hatte, dass ich mit Adam zusammen war, freute sich aber für mich.

Das Kennenlernen mit meinen Eltern war eigentlich ganz gemütlich verlaufen. Adam war zum Abendessen eingeladen gewesen, Mama und Papa hatten ihm etwas auf den Zahn gefühlt, und ich hatte das Gefühl, dass sie ihn erst Mal akzeptieren konnten. Das erleichterte mich, denn Ärger zu Hause konnte ich jetzt, wo ich endlich mal richtig glücklich war, wirklich nicht gebrauchen.

 

Nach dem Essen hatten wir zwei uns in den Garten verzogen und schmusten dort unbeobachtet.

"Ach, Maddy", seufzte Adam irgendwann auf. "Wie konnte ich nur so lange so blind sein? Das hier hätte ich schon viel früher haben können"

"Wir haben doch gesagt, dass wir das vergessen", erinnerte ich ihn.

"Ja, das ist richtig. Aber ab und zu fällt es mir eben doch wieder ein". Er machte eine Pause, in der er sich in unserem Garten umsah. "Schön habt ihr es hier. Dort hinten wachsen Pflanzen, die ich noch niemals gesehen habe". Ich lachte auf.

"Kein Wunder. Mein Bruder züchtet Dinge, die mir nicht mal in Traum einfallen würden". Ich besah mir ebenfalls unsere skurille Pflanzensammlung, die von Sven gehegt und gepflegt wurde.

"Alles für eure Firma, oder?", fragte Adam.

"Manches, ja. Nicht alles"

"Ich könnte mir vorstellen, dass eure Firma ziemlich gut läuft. Ich meine, mit so einem außergewöhnlichen Angebot". Ich sah Adam an und fragte mich, warum wir jetzt über diese Firma und nicht einfach über uns reden konnten.

"Wir können nicht klagen", antwortete ich ihm und legte dann meine Hand auf seinen Rücken. Ich wollte ihm einfach nahe sein und jetzt möglichst nicht über irgendwelche Geschäfte reden.

"Ich hoffe, dass ich dir irgendwann auch mal etwas bieten kann, Maddy", sagte Adam. "Im Moment ist ja leider das Gegenteil der Fall. Wenn ich denke, wie oft du schon irgendwelche Eintritte für mich bezahlt hast...". Er senkte verlegen die Augen, und mir wurde ganz warm ums Herz, weil er sich deshalb Sorgen machte.

"Hey, vergiss das doch! Du machst, was du kannst, und gut! Wir rechnen uns doch hoffentlich nichts einander auf, oder?". Nun sah er mich wieder an und lächelte dabei.

"Nein, du hast recht. Irgendwann mache ich es wieder gut", sagte er, bevor er mich küsste.

Als Adam und ich schon vier Monate zusammen waren, kam der erste Schnee und damit auch ein Winterfest in unseren Park in Sunset Valley. Ich verabredete mich mit ihm und seinen beiden Freunden Daniel und Volker direkt im Park.

"Na, alles klar bei dir, Volker?", fragte ich den rothaarigen Jungen, der ziemlich viel Humor besaß und mich deshalb schon oft zum Lachen gebracht hatte.

"Klaro", antwortete er flapsig. "Es ist nur scheißkalt". Ich grinste.

"Dann hätte ich mir eben eine wärmere Jacke angezogen", meinte ich augenzwinkernd.

"Ach komm, ich muss doch cool aussehen und nicht wie ein dick verpacktes Weihnachtsgeschenk", grinste er zurück.

Ich wandte mich an alle drei:

"Wie wäre es mit einem Apfelwein?", fragte ich die Jungs. "Dort drüben ist ein Stand, ich würde uns was holen gehen".

"Etwas Warmes wäre wirklich nicht schlecht", sagte Adam. "Aber du musst nicht...", doch ich winkte ab.

"Lass mal. Ich bin gleich zurück". Mit diesen Worten ging ich los in Richtung des Standes, um uns mit dem köstlichen Apfelwein zu versorgen.

Als ich auf dem Rückweg fast bei den Jungs war, hörte ich Daniel aufgeregt mit Adam reden. Weil mich das so überraschte, blieb ich geschützt hinter der Mauer stehen. Ich wusste zwar nicht warum, aber irgendwie hatte ich das komische Gefühl, jetzt unentdeckt hier stehen bleiben zu müssen und den beiden zuzuhören.

"Das kannst du nicht machen, Adam! Was du vorhast, ist einfach nur fies. Ich fand es bis jetzt schon schlimm genug, aber das geht echt zu weit!". Von was redete Daniel da?

"Hör mal, was kann ich dafür, dass mich die Kleine anhimmelt? Warum sollte ich das nicht für meine Zwecke nutzen?", fragte Adam mit so viel Härte in der Stimme nach, die ich schon seit Monaten nicht mehr an ihm gehört hatte.

"Vielleicht, weil es moralische Grenzen gibt? Du nutzt sie doch total aus!"

"Ausnutzen", sagte Adam verächtlich. "Das ich nicht lache! Die stinken vor Geld, glaube mir! Ich war ja da, dort ist alles vom Feinsten. Das sind echte Grafen, machen mit dieser Gartenfirma total viel Kohle und Maddy spürt das doch nicht, wenn sie mir einen guten Lebenswandel finanziert. Das zahlt die doch aus der Portokasse. Ich bin so dankbar, dass die bei unserer Schulfeier die Sponsoren waren und das groß und breit in das Programmheft drucken ließen. Sonst wäre ich wohl nie darauf gekommen, was für ein Goldeselchen scharf auf mich ist". Mein Herz klopfte hart an meine Brust. Wie gelähmt stand ich mit den Apfelweinbechern da an der Mauer und hörte diese unfassbaren Sätze aus Adams Mund.

"Ja, klar", regte sich Daniel weiter auf. "Weißt du, es ist das eine, wenn einem die Freundin, die man wirklich mag, auch mal den Eintritt ins Schwimmbad bezahlt, aber das andere, wenn man ein Mädchen, das einem nicht das Geringste bedeutet, dahin bringen will, dass es einem ein Smartphone für 500 § bezahlt"

"Das habe ich mir verdient!", behauptete Adam. "Weißt du überhaupt, wie es ist, wenn man ständig mit einer rummachen muss, die man ansonsten nicht mal anrühren würde, wenn sie die einzige Frau auf der ganzen Welt wäre? Das ist nur meine gerechte Entlohnung, das ist alles. Sie hat das, was sie schon lange wollte, und ich bekomme nur was als Gegenleistung dafür.

"Dann bist du eine männliche Schlampe!", warf ihm Daniel entgegen, und ich fühlte mich benutzt und befleckt.

Weil ich kein Wort mehr hören konnte, stürmte ich auf Adam zu.

"Du Arsch!", schrie ich ihn an und kippte ihm den Apfelwein über die Jacke.

"Maddy! Es ist nicht so, wie du denkst!", ließ er den abgedroschensten Satz dieses Universums verlauten.

"Hör auf! Und lasse dich nie wieder bei mir blicken!", warf ich ihm noch entgegen, bevor ich dann mit schnellen Schritten nach Hause lief.

Ich hatte mich im Griff, bis ich zu Hause war. Dort allerdings strömten die Tränen in wahren Sturzbächen aus meinen Augen, und ich ließ mich, so wie ich war, auf mein Bett fallen und konnte mich kaum mehr beruhigen.

 

Es war unglaublich, wie benutzt ich worden war. Ohne es zu bemerken. Entweder war Adam ein ausgezeichneter Schauspieler oder ich eine naive Gans.

 

Oder beides.

Die nächsten Wochen waren wirklich hart. Die Demütigung konnte ich schon kaum verkraften, aber das ich Adam auch noch regelmäßig in der Schule in den Pausen sah war wirklich schlimm. So schlimm, dass ich mir stellenweise sogar überlegte, auf eine andere Schule zu gehen. Letztlich verwarf ich diesen Gedanken aber immer schnell wieder, denn so hätte er einen weiteren Triumph zu verbuchen und ich müsste meine ganzen Freunde und meine Schwester zurücklassen. Ich konnte schließlich nicht erwarten, dass sie mir folgen würden. Wenigstens in dem Buchladen musste ich ihn nicht mehr sehen, denn den Job hatte ich erst Mal gekündigt.

 

Viola wich mir in der Schule nicht mehr von der Seite. Da sie und auch Felix Jiu Jitsu trainierten sah sie sich jetzt wohl als eine Art Wächterin von mir.

 

Irgendwann zerrte sie mich mit in die Schinderei, damit ich mal wieder auf andere Gedanken kommen sollte. Rechte Lust hatte ich keine, aber die Sache mit Adam lag nun auch schon wieder einige Zeit zurück und außerdem war ich neugierig, wie die frisch renovierte Disco von Felix` Onkel aussah.

Es war Freitag Abend, aber weil es erst kurz nach halb zehn war, war noch nicht so viel los. Erst eine handvoll Gäste tanzten zu der Musik des DJs.

Das allerdings gab mir noch die Gelegenheit, ein bisschen mit meiner Schwester zu tanzen, denn auch die Bar war noch kaum besucht und Felix hielt für die wenigen Gäste die Stellung.

"Und? Es war doch eine gute Idee, dass du mitgekommen bist, oder? So hast du auch mal wieder Ablenkung!", schrie Viola gegen die laute Musik an.

"Das stimmt. Und der DJ legt gerade wirklich gute Musik auf", bestätigte ich.

"Finde ich auch", gab Viola zurück, und wir tanzten wild auf "Blurred Lines" von Robin Thicke.

Notenbild ist verlinkt und führt zu einem Video.

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Nach der Tanzrunde brauchte ich erst Mal wieder was zum Trinken und bestellte bei Felix eine Cola. Er sah mich gespielt entsetzt an.

"Wieder dieses Zuckerwasser, Madeleine? Ernsthaft?". Ich grinste ihn an.

"Ja, ernsthaft. Und wenn du es mir nicht gibst, bestelle ich es mir bei meiner Schwester oder deinem Onkel".

"Puh, okay. Dann bekommst du jetzt von mir eben eine Cola".

Später kam ich gerade aus der Damentoilette, als ich fast mit einem Jungen zusammen stieß. Ich erschrak, als ich Adam in dem Jungen erkannte!

"Hey, Maddy!", sagte er zu mir. "Ich muss mit dir reden"

"Und ich will nichts hören", sagte ich entschlossen, denn ich hatte keine Lust, mich wieder anlügen zu lassen. Was immer er mir zu sagen hatte, interessierte mich nicht.

"Komm schon!", sagte er und drängte mich an die Wand. "Ich weiß, dass du immer noch auf mich stehst! Und wir waren doch ein gutes Team, oder nicht? Du hast bekommen, was du wolltest, und ich habe dafür das bekommen, was ich brauchte. So etwas sollte man nicht aufgeben". Er grinste mich schmierig an. War das denn zu fassen? Glaubte er tatsächlich, dass ich mich noch mal auf ihn einlassen würde? Nur, damit er an Geld kam?

"Lass mich in Ruhe!", sagte ich, doch ich konnte mich nicht befreien. Ich sah nach links und nach rechts, doch in diesem Moment war dieser Gang zu den Toiletten leider menschenleer. Ich war schon versucht, nach Hilfe zu rufen, doch hier bei dem Lärm würde das doch niemand hören. So langsam bekam ich Angst. Ich wusste nicht, wie entschlossen Adam war und was er dafür alles tun würde.

Dann kam er noch näher, hielt meine Hand fest umklammert, während er mit der anderen meine Wange und meinen Hals entlangfuhr. Er ekelte mich an, doch ich konnte mich nicht von ihm befreien, weil er um einiges stärker war als ich. Mein Herz klopfte nun vor Angst hart an meine Rippen.

"Ein Kuss", sagte er dann leise an meinem Mund, "und du wirst ganz freiwillig zu mir zurückkommen"

"Nein, das werde ich nicht", sagte ich und konnte nicht glauben, dass ich wirklich mal in ihn verliebt gewesen war. "Geh weg!"

"Aber...", wollte er schon einen erneuten Versuch starten, mich zu überreden, doch weiter kam er nicht.

"Sie hat gesagt, du sollst verschwinden!", vernahm ich Felix` zornige Stimme. Es ging alles sehr schnell: Felix riss Adam von mir weg und drückte ihn nun an die Wand, an der ich gerade noch gestanden war. "Kerl, ich sage dir das nur einmal: Mach, das du Land gewinnst und komme Madeleine nie wieder zu Nahe! Sonst wirst du mich kennenlernen!". Ich starrte auf die Szenerie, erleichtert, dass ich in Sicherheit war und sah das entschlossene, steinharte Gesicht von Felix und die Angst nun in Adams Augen. Doch dieser fing sich schnell wieder.

"Schlag mich doch, Idiot! Was mischst du dich überhaupt in meine Angelegenheiten ein?"

"Deine Angelegenheiten???", spie Felix aus und drückte seinen Arm noch fester auf Adams Brust, so dass dieser schon nach Luft röcheln musste. "Junge, sei froh, dass ich heute einen wirklich guten Tag habe, sonst würdest du jetzt dein blaues Wunder erleben". Adam hielt das wohl nur für einen Spruch, denn er reagierte auf Felix` Drohung recht gelassen. Ich jedoch wusste, dass Felix durch das Jiu Jitsu dafür locker in der Lage war.

"Mach`s doch. Dann hast du die Polizei schneller auf dem Hals, als dir lieb ist!", krächzte Adam. Und Felix grinste ihn an.

"Wie süß. Das Baby braucht die Hilfe von den Bullen!". Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. "Ruf die Bullen, dann werden Madeleine und ich erzählen, was du getan hast!"

"Was habe ich denn getan? Überhaupt nichts!"

"Halt den Mund und verschwinde! Ich weiß, was ich gesehen habe! Wage es nicht noch einmal!". Damit ließ Felix Adam los, und dieser holte zuerst mal tief Luft. Dann stieß er "Arschloch" in Richtung von Felix aus und trollte sich endlich.

Felix kam sofort zu mir und sah mich besorgt an.

"Geht es dir gut?", fragte er mich, und ich nickte.

"Ja. Danke für alles"

"Nicht dafür", sagte er. "Dieser Mistkerl! Der hat hier jetzt Hausverbot. Kann ich etwas für dich tun?". Es war lieb, wie besorgt er war, doch ich schüttelte den Kopf.

"Nein, alles gut", log ich, denn mir ging es beschissen. Es war die Tatsache, wie hilflos ich gewesen war, die mich fertig machte. Adam hatte mich ohne große Anstrengung unter Kontrolle gehabt.

"Ich bringe dich jetzt erst mal zu deiner Schwester, dort kannst du dich erholen. Und ich gehe zu meinem Onkel und den Türstehern und sage ihnen, dass Adam Wood hier nicht mehr reinkommt".

Als Felix und ich an der Bar angekommen waren, rief er meiner Schwester zu, dass sie mir einen Drink aufs Haus machen solle. Viola sah mich an und fragte sofort:

"Was ist passiert? Du siehst ja furchtbar aus!". Ich erzählte ihr knapp, was soeben vorgefallen war und auch sie war sofort nicht um Schimpfworte für Adam verlegen.

"Viola, diese Hilflosigkeit möchte ich wirklich nicht noch mal erleben müssen", sagte ich zu meiner Schwester. "Ich würde gerne mal ein bisschen mittrainieren, wenn du und Felix euer Jiu Jitsu macht. Ginge das?". Viola war sofort Feuer und Flamme für diese Idee.

"Natürlich! Das ist eine gute Idee, wir bringen dir ein paar Techniken bei, mit denen du dich wehren kannst". Als Felix wieder hier war und Viola ihr von meiner Idee berichtete, war auch er sofort damit einverstanden, mir ein paar Stunden Training zu geben.

 

Das zumindest war ein Lichtblick in diesem dunklen Adam-Kapitel. Ich hoffte, dass ich die Demütigungen, die mir dieser Kerl zugefügt hatte, schnell vergessen konnte.

Gleich am nächsten Freitag Abend war ich auf dem Weg in das Fitnessstudio, das auch einen Raum für die Jiu Jitsu-Leute hatte. Das Gebäude war mit viel Glas gebaut und modern.

Etwas mulmig zog ich mich um, denn ich war eigentlich ein regelrechter Sportmuffel. Also eine blutige Anfängerin, die zudem ihren Kummer am Liebsten unter der Bettdecke mit einer riesigen Packung Keksen verbracht hätte. Ich wusste natürlich, dass das hier für mich wichtig war, aber ich hoffte auch so sehr, dass ich mich nicht zu blöd anstellen würde.

Viola trainierte schon, als ich den Raum betrat, von Felix war in dem Moment nichts zu sehen.

"Hey, Maddy!", begrüßte mich meine Schwester und unterbrach ihr Training. "Jetzt wollen wir dir mal zeigen, wie du dich in Zukunft gegen solche schmierigen Typen wie Schleimbeutel wehren kannst. Felix kommt gleich". Schleimbeutel. Für Viola war Adam nur ein Schleimbeutel. Und irgendwie hatte sie ja auch recht.

Dann kam auch Felix zurück, und begann, mir ein paar Grundlagen des Jiu Jitsu zu erklären. Er sprach davon, dass der Sport zur Verteidigung gedacht ist und nicht, einfach wild auf Leute losgehen zu können um sie zu verprügeln.

Ich bekam zuerst eine theoretische Einführung über diesen Sport, welche Techniken es gab, dass das Ziel des Jiu Jitsu war, die Kräfte des Gegners auf diesen selbst zu lenken und sich so vor Verletzungen zu schützen.

Nach den theoretischen Ausführungen konnte ich nun an einem dieser Holzteile auch praktische Übungen ausführen. Natürlich hatte ich Respekt vor dem harten Holz und schlug etwas zaghaft zu.

"Madeleine, das Holz nicht streicheln, etwas mehr Kraft darf es schon sein! Erinnere dich, wie du die Muskeln anspannen musst, so dass es dir nicht weh tut", sagte Felix.

"Haha", machte ich auf seinen Kommentar hin. Es fiel mir schwer, Muskeln anzuspannen, von denen ich bisher gar nicht gewusst hatte, dass ich sie besaß.

Ich schaffte es tatsächlich, beim Ausholen mit der Hand mich selbst im Gesicht zu treffen. Viola holte mir sofort eine Kühlpackung, die ich mir ein paar Minuten auf meine rechte Wange legte und hoffte, dass man meinem Gesicht nichts ansehen würde. Dieser Schlag war ja schon peinlich genug, da konnte ich blöde Fragen nicht auch noch gebrauchen.

"Madeleine, denke an deine Körperspannung. Und stelle dir vor, dass das da vor dir ist kein Stück Holz ist, sondern ein Angreifer. Du musst dich jetzt gegen ihn wehren". Ich versuchte, mir den Holzklotz wegzudenken, doch es wollte nicht so recht klappen. Das sagte ich auch Felix.

"Dann stelle dir vor, es ist diese Hackfresse von Adam", sagte er, und wie immer, wenn er von Adam sprach, hörte ich regelrechte Wut aus seiner Stimme heraus. Vor meinem geistigen Auge erschien nun Adams Gesicht. Sein falsches Lächeln. Die Situation im Park, wie er gehässig über mich gesprochen hatte. Gehässig und verletzend. Und ich haute mit voller Wucht gegen mein Trainingsgerät.

"Gut so! Und gleich noch mal!", ermunterte mich Felix, und ich rief mir den Abend in der "Schinderei" ins Gedächtnis zurück. Die Angst kroch wieder hoch. Angst, die mir Adam gemacht hatte. Ich holte Schwung und trat nach dem Holz. Mein Fuß schmerzte danach zwar, aber das spürte ich kaum. Vielmehr fühlte ich, wie es mir gut tat, mich jetzt im Nachhinein gegen Adam wehren zu können. Nicht mehr so hilflos wie damals zu sein.

"Du machst das prima", lobte mich Felix. "Aber jetzt mach mal eine Pause, ja? Wir wollen es nicht übertreiben".

Ich ließ von dem Holz ab und nahm mir vor, bald wieder zu kommen. Denn nie wieder sollte mir so etwas wie mit Adam passieren. Nie wieder! Ich ging zu meiner Schwester, die in einer anderen Ecke des Raumes ein paar Holzbretter mit der bloßen Hand zerschlagen hatte. Das hieß wohl, dass sie schon eine ganz gute Körperspannung hatte.

 

Von diesem Tag an trainierte ich immer wieder zusammen mit Felix und Viola in dem Fitnessclub.

 

 

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